König des Vereinten Königreichs Charles III. und Frankreichs Präsident Emmanuel Marcon (l.). (Foto: Chris Jackson/Pool via REUTERS) |
Es ist der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Großbritannien seit 17 Jahren, seit dem Besuch von Nicolas Sarkozy im Jahr 2008.
Migrationsfrage im Fokus
Zwei Monate nach dem EU-UK-Gipfel Mitte Mai in London markiert Macrons Besuch einen weiteren Schritt zum umfassenden Neustart der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU in der Zeit nach dem Brexit. Die Beziehungen zwischen London und Paris haben sich merklich aufgewärmt, seit König Charles III., der Frankreich gegenüber besonders wohlgesinnt ist, im Sommer 2023 den Thron bestieg und Keir Starmer, ein pro-europäischer Labour-Politiker, im vergangenen Sommer Premierminister wurde. Als Zeichen dieser neuen Verbundenheit bereitet Großbritannien Präsident Macron einen feierlichen Empfang auf höchstem diplomatischen Niveau. Neben einem bilateralen Gespräch mit Premierminister Keir Starmer wird Macron von König Charles III. auf Schloss Windsor empfangen sowie eingeladen, vor dem britischen Parlament zu sprechen.
Dahinter stehen jedoch große Herausforderungen, um den politischen Willen zu greifbaren Ergebnissen zu machen, insbesondere bei der Migrationspolitik. Vorrangig ist dabei die Verhinderung illegaler Überfahrten von Migranten über den Ärmelkanal von Frankreich nach Großbritannien. Die Zusammenarbeit in diesem Bereich stützt sich derzeit auf das Touquet-Abkommen von 2003, das vorsieht, dass Großbritannien finanzielle Mittel bereitstellt, damit französische Zoll- und Polizeikräfte die illegalen Überfahrten nach Großbritannien unterbinden. Das Abkommen steht zunehmend in der Kritik auf beiden Seiten: Im ersten Halbjahr haben rund 20.000 Personen den Ärmelkanal überquert, ein Anstieg um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. London wirft Paris mangelnde Effizienz bei der Eindämmung der Migration vor, während Frankreich kritisiert, dass die von Großbritannien zugesagten 543 Millionen Euro für den Zeitraum 2023-2026 nicht ausreichen. Der Vertreter der französischen Polizeigewerkschaft, Régis Debut, erklärt:
„Das Problem ist: Nur weil Geld fließt, heißt das nicht, dass alles gelöst ist oder man damit soziale Stabilität kaufen kann. Sie glauben, sie zahlen und die Franzosen übernehmen die Arbeit, aber wir haben hier eine klare Hierarchie und sie wissen genau, wohin das Geld fließt. Es braucht daher echte Lösungen.“
Premierminister Starmer und Präsident Macron wollen neue Maßnahmen zur bilateralen Polizeikooperation ankündigen, um die Überfahrten zu verhindern.
Das Gespräch zwischen Großbritannien und der EU am 19. Mai 2025 in London. (Foto: Kin Cheung/Pool qua REUTERS) |
Europas Rolle stärken
Ein weiterer Schwerpunkt des Besuchs ist die Verteidigungszusammenarbeit. 2010 unterzeichneten Großbritannien und Frankreich die Lancaster-House-Verträge, um Kooperation zwischen den beiden Ländern im Verteidigungsbereich zu stärken. Doch angesichts der zunehmenden geopolitischen Instabilität wollen London und Paris diesen Rahmen erweitern, etwa durch neue Formate mit Partnerländern wie Deutschland, Polen oder in kleinerem Maß, mit Italien und Spanien. Dies zeigt sich vor allem in der gemeinsamen Initiative zum Aufbau einer „Koalition der Willigen“, die bereit ist, Friedenstruppen in die Ukraine zu entsenden, sobald ein langfristiger Waffenstillstand mit Russland erreicht ist. Frankreich bemüht sich zudem, Großbritannien stärker in das Weimarer Dreieck mit Deutschland und Polen einzubinden, um Europas Abschreckungspotenzial zu erhöhen. Sébastien Maillard, Sonderberater des Jacques Delors Instituts und Europa-Experte des britischen Think Tanks Chatham House, sagt:
„Der zentrale Kooperationsbereich, den beide Seiten wirklich stärken wollen, ist die Verteidigung. Großbritannien und Frankreich verfügen über vergleichbare Rüstungsindustrien und Fähigkeit zur nuklearen Abschreckung. Es sind die einzigen zwei Atommächte Europas. Sie teilen deshalb ähnliche diplomatische Ansätze und das Bedürfnis, Stärke zu zeigen.“
Langfristig hat die Vertiefung der britisch-französischen Verteidigungsbeziehungen strategische Bedeutung für ganz Europa, insbesondere angesichts der wachsenden Befürchtung, dass die USA ihre Sicherheitszusagen gegenüber Europa schrittweise zurückfahren könnten. Laut Maillard haben sowohl Keir Starmer als auch Emmanuel Macron einen gewissen Einfluss auf US-Präsident Donald Trump. Wenn sich London und Paris auf eine gemeinsame Linie einigen, könnten sie damit nicht nur die US-Politik gegenüber der Ukraine mitprägen, sondern auch Europas Einfluss auf globale Themen wie das iranische Atomprogramm, den Gaza-Konflikt oder weltweite Handelsstreitigkeiten stärken.