Die Treppe ist ein kulturelles Symbol im Leben der Tay und Nung. (Foto: VOV)

In der Vergangenheit gab es in den Gebieten ethnischer Minderheiten gefährliche Tiere und Schlangen. Die Angehörigen der Volksgruppen Tay und Nung mussten deshalb Pfahlhäuser bauen, um wilde Tiere fernzuhalten und zugleich die Häuser gut zu belüften. Das Pfahlhaus und der Boden sind durch eine Holztreppe miteinander verbunden. Dazu Gia Van Vu im Kreis Cho Don in der Provinz Bac Kan:

„Treppen zu den Pfahlhäusern der Tay und Nung existieren schon seit langem. Jedes Pfahlhaus muss über Treppen verfügen. Die Stufenanzahl einer Treppe muss eine ungerade Zahl wie 7 oder 9 sein. Eine gerade Anzahl muss vermieden werden. Nach Ansicht der Tay und Nung sind gerade Treppenstufen Geistertreppen.“

Abhängig vom Grundstück und von der Ausrichtung des Hauses können Treppen auf der rechten oder linken Seite des Hauses angebracht werden. Die Tay und Nung wählen oft gutes Holz wie Eisen- oder Sandelholz für die Herstellung von Treppen. Die Treppenhandläufe werden geglättet, wobei die Enden auf dem Hausboden aufliegen. 

Als Symbol der traditionellen Kultur der Tay und Nung scheint jede Treppenstufe Geschichten aus alten Zeiten zu erzählen, in denen die Angehörigen der Tay und Nung die Natur eroberten und gegen wilde Tiere kämpften, um das Leben friedlich zu halten. Die Tay und Nung wählen gerne Treppen mit neun Stufen. Sie sind der Auffassung, dass die Mutter und die Frau in der Familie Personen seien, die am häufigsten die Treppe hoch und runter gehen. Man kann sagen, dass die neun Stufen Zeugen des Glücks und der Schwierigkeiten von Frauen sind. Die neun Stufen sind auch ein Maß für jeden Schritt eines Kindes von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter. Ein Kind steigt die Treppe hinauf, indem es krabbelt, sich festhält und dann steht. Dies ist ein Prozess der Selbstüberwindung, um erwachsen zu werden. Die neun Treppenstufen sind auch Zeugen bei der Hochzeit des Mädchens in der Familie. Kulturforscher Duong Sach sagt:

„Die Tay- und Nung-Leute nennen das den Moment, wenn das Mädchen ihr Haus verlässt, um ins Haus ihres Mannes zu gehen, „unten“. Das Mädchen hält sich am Treppenhandlauf fest, um vom Pfahlhaus herunterzukommen. Zu diesem Zeitpunkt werden Großeltern, Eltern und Verwandte die Treppe halten, damit ihre Tochter hinuntersteigen kann. Die Treppenstufen sind auch Stufen der Liebe.“

Im spirituellen Leben der Tay und Nung spielt die Treppe auch eine wichtige Rolle. Sie nennen die Treppe auch die Seelentreppe. Die Angehörigen der Tay und Nung sind der Auffassung, dass der Mensch Körper und Seele habe. Körper und Seele existieren immer parallel zueinander. Aber manchmal kann die Seele den Körper verlassen und nicht zurückkehren. Dann wird der menschliche Körper krank. Um die Seele zurückzurufen, muss man einen Schamanen einladen, um eine Gebetszeremonie durchzuführen. Laut dem Kulturforscher Duong Sach symbolisieren sieben oder neun Treppenstufen in der Spiritualität der Tay und Nung die Anzahl der Seelen. Sie werden auch als Faden angesehen, der Leben und Tod verbindet.

„In der Gebetszeremonie verwendet der Schamane oft Bananenblätter, um eine symbolische Treppe zu bauen. Die Soldaten des Schamanen werden mit der Treppe in den Himmel aufsteigen, um die menschliche Seele abzuholen. Auf den Stufen sind Scheingelder und die aus farbigem Papier ausgeschnittenen Figuren und Fahnen angebracht. Diese Gegenstände sind Geld für Soldaten in der Unterwelt, die sich um die Seelentreppe kümmern.“

Heutzutage verbessern die Tay und Nung ihre Häuser, damit sie sich den natürlichen Bedingungen und der landwirtschaftlichen Produktion anpassen. Sie vergessen aber dennoch nicht, traditionelle Merkmale ihrer traditionellen Pfahlhäuser zu bewahren.