Syrische Flüchtlinge kehren in die Heimat zurück. (Foto: Xinhua/VNA) |
Zum ersten Mal seit mehr als 13 Jahren ist eine hochrangige US-Diplomatendelegation unter der Leitung der stellvertretenden US-Außenministerin für den Nahen Osten, Barbara Leaf, am 19. Dezember in der syrischen Hauptstadt Damaskus eingetroffen, um über die zukünftigen Beziehungen mit Vertretern der Islamistengruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS), die derzeit die Macht in Syrien übernimmt, zu diskutieren. Dieses Ereignis markiert den Beginn einer neuen politischen Situation im Land, das seit mehr als einem Jahrzehnt vom Krieg zerstört wird.
Positive diplomatische Signale
In einer Erklärung nach den ersten Gesprächen mit der Führungskräfte der HTS, teilte die US-Diplomatendelegation mit, dass HTS zugestimmt habe, dass Terrorgruppen weder innerhalb Syriens noch nach außen eine Bedrohung darstellen dürften. Die HTS sei auch bereit, friedliche Beziehungen mit den USA aufzubauen. Nach dem Treffen haben die USA das Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen US-Dollar auf HTS-Chef, Ahmed al-Scharaa aufgehoben.
Der positive Schritt der US-Seite hat den Weg für eine Reihe diplomatischer Aktivitäten vieler anderer Länder geebnet. Am 21. Dezember gab Katar die Wiedereröffnung seiner Botschaft in der Hauptstadt Damaskus nach 13 Jahren Schließung bekannt. Andere arabische Länder wie Saudi-Arabien und Jordanien haben ebenfalls diplomatische Delegationen nach Syrien geschickt. Die Türkei, die in den jüngsten politischen Entwicklungen in Syrien eine führende Rolle gespielt hat, hat bereits am 14. Dezember ihre Botschaft in Syrien wiedereröffnet. Ankara verpflichtete sich darüber hinaus, die neue Regierung in Syrien sowohl in der Diplomatie als auch im Militär zu unterstützen. Auch Länder, die enge Verbündeten der gestürzten Regierung von Baschar al-Assad waren, erklärten, dass sie die Schaffung eines friedlichen und stabilen Umfelds in Syrien mit territorialer Integrität unterstützen. Beobachtern zufolge zwingen die jüngsten unerwarteten politischen Entwicklungen Länder in der Region sowie Mächte außerhalb der Region dazu, sich an einem Rennen um Einfluss in Syrien zu beteiligen. Laut Bader Al-Saif, Experte des Nahost- und Nordafrika-Programms des britischen politischen Instituts Chatham House, verläuft dieses Rennen relativ friedlich. Er warnte allerdings, dass sich der neue Friedensprozess in Syrien noch in einer Anfangsphase befinde, so dass übermäßige Einmischung von außen vermieden werden müsse.
„Auf dem Weg in die Zukunft Syriens sieht man entweder Chaos und Instabilität oder positive Signale mit guten Nachrichten. Ich denke, keine dieser Aussagen ist richtig. Die Zukunft Syriens wird eine Mischung aus beidem sein, und wir müssen klar verstehen, dass alles gerade erst beginnt.“
Diesen Standpunkt erwähnte auch HTS-Chef Ahmed al-Scharaa bei den ersten Gesprächen mit diplomatischen Vertretern anderer Länder. Al-Scharaa zufolge muss der neue Friedensprozess in Syrien zunächst vom syrischen Volk selbst entschieden werden.
„Es ist wichtig, dass sich die großen Akteure auf gemeinsame Grundsätze in Bezug auf Syrien einigen. Dabei müssten die Syrer unter anderem unabhängig über die Stabilität und Sicherheit des Landes entscheiden dürfen. Die Bevölkerung hat in den vergangenen 14 Jahren stark gelitten.“
Humanitäre Frage
Prognosen der Vereinten Nationen zufolge werden mit der Bildung einer neuen Regierung in Syrien in den nächsten sechs Monaten voraussichtlich mindestens eine Million syrische Flüchtlinge in das Land zurückkehren. Weitere Millionen könnten in den nächsten Zeiträumen heimkehren, wenn sich die politische und wirtschaftliche Lage in Syrien verbessert. Die Heimkehr von Millionen Syrern bringt allerdings auch große humanitäre Herausforderungen mit sich. Denn nach mehr als einem Jahrzehnt Bürgerkrieg und Konflikt ist die syrische Wirtschaft stark geschrumpft. Die Infrastruktur in vielen Großstädten, wie Aleppo, Hama und Homs wurde fast vollständig zerstört. Daher könnte die sofortige Aufnahme von Millionen von Rückkehrern eine überwältigende sozioökonomische Belastung für die neue Regierung in Syrien verursachen und den Friedensprozess in diesem Land gefährden.
Um die unmittelbaren humanitären Herausforderungen in Syrien zu lösen, rief die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zu Syrien (UNCIS) in der vergangenen Woche die internationale Gemeinschaft auf, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben, um die Bereitstellung humanitärer Hilfe für Millionen von Menschen in Not zu ermöglichen.
Auch die syrische Übergangsregierung betrachtet die Stabilisierung des Lebens ihrer Landsleute als führende Priorität. Der syrische Interims-Innenhandelsminister, Maher Khalil al-Hassan, teilte am 19. Dezember mit, dass die Übergangsregierung in Syrien gerade eine Reihe von Reformen erwäge, darunter eine Erhöhung der Löhne um bis zu 400 Prozent und die Abschaffung staatlicher Subventionen für einige strategische Güter. Ziel sei es, die Wirtschaft zu liberalisieren, den Betrug zu vermeiden und so der syrischen Bevölkerung zu helfen, ihr Leben vorübergehend zu stabilisieren, bevor internationale humanitäre Hilfe für Syrien verstärkt wird.